Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit vollzog ÖVP-Verteidigungsministerin Tanner gestern in den USA den ersten Schritt zum Beitritt Österreichs zum Militärbündnis NATO. Sie unterschrieb einen Vertrag zur Teilnahme am State Partnership Programm (SSP). Es handelt sich dabei um ein geostrategisches Projekt politischer und militärischer Natur der Vereinigten Staaten.
Bereits 2020 gab der damalige US-Verteidigungsminister Pompeo bei einem Wien-Besuch gönnerhaft bekannt, dass Österreich in das State Partnership Program (SSP) aufgenommen werde. Die Presse staunte, das wäre außergewöhnlich. Denn das Projekt wurde nach dem Zusammenbruch der UDSSR dazu geschaffen, ehemalige Länder des Warschauer Paktes oder der Sowjetunion an die USA zu binden. Offiziell diente es dazu, diesen Ländern dabei „zu helfen“ demokratische Strukturen und eigene Armeen aufzubauen.
Dabei wurde eine dreiteilige Struktur geschaffen, an deren Ende der NATO-Beitritt steht: State Partnership Program (SSP) als Plattform für gemeinsame Militärübungen. Joint Contact Team Program (JTCP) für „intensivere Beziehungen“. Und Stufe drei ist dann die NATO Vollmitgliedschaft.
Alle Programme werden vom US Veteidigungsministerium betrieben. Das SSP an erster Stelle gilt als „kostengünstig“. Die Partnerländer werden mit der Nationalgarde eines bestimmten US-Bundesstaates verbunden, die dann im Partnerland „Präsenz zeigt“ und gemeinsame Übungen durchführt. Ebenso inkludiert sind „Kontakte zu zivilen Stellen“.
Nach der Bekanntgabe im Jahr 2020 herrschte bei der Opposition Aufruhr. Sowohl die SPÖ, die FPÖ als auch die NEOS verfassten parlamentarische Anfragen und hinterfragten, wie der Beitritt zu einem Militärbündnis mit der immerwährenden Neutralität Österreichs, die in Verfassungsrang steht, zu vereinbaren ist. Im Detail ausgearbeitet und nachvollziehbar gemacht wurde dieser Ablauf am Wochenende von Report24.
Tanner fand damals eine interessante Antwort auf die besorgten Anfragen: Die Teilnahme am Militärbündnis SSP würde der Neutralität nicht entgegenstehen, denn: „sofern eine Kooperation bzw. die Teilnahme an gemeinsamen Übungen und Einsätzen jedoch jederzeit beendet werden kann, bestehen verfassungsrechtlich keine Bedenken.“
Im Jahr 2021 beschloss das österreichische Verteidigungsministerium dann die Teilnahme am SSP – wiederum ohne das Parlament damit zu befassen. Die Fixierung der Vereinbarung fand nun am 8. Mai 2022 im Rahmen einer USA-Reise von ÖVP-Ministerin Tanner statt. Sie unterschrieb – wiederum ohne jeglichen vorhergehenden parlamentarischen Prozess – die Teilnahme Österreichs.
Österreich ist damit ab sofort der 79. Partner der USA im State Partnership Program. Die wenigen Medien, die sich überhaupt dafür interessieren (Krone, Presse) merken an, dass auch die Ukraine seit 30 Jahren ein solcher Partner der USA wäre – und man nun im Konflikt gegen Russland „die Früchte daraus erntet“. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Medienschaffenden die Dimension ihrer Aussage verstehen, denn die aktuellen Ereignisse in der Ukraine stehen für Elend, Not und Leid für Millionen Menschen.
Die Partei Menschen-Freiheit-Grundrechte (MFG) bekennt sich ohne Abstriche zu Verfassung und Neutralität Österreichs. Der Beitritt zu einem wie auch immer gearteten Militärbündnis ist inakzeptabel und muss rechtlich genauestens untersucht werden. Sollte sich herausstellen, dass die Ministerin ihre Befugnisse überschritten und verfassungswidrig gehandelt hat, müssen alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft werden, um den Sachverhalt aufzuarbeiten. Entscheidungen dieser Tragweite bedürften in jedem Fall im Vorfeld eine parlamentarischen Debatte, einer Abstimmung mit Verfassungsmehrheit – und idealerweise auch einer Volksabstimmung. Denn eines ist sicher, die Menschen in Österreich wollen Frieden und Wohlstand – und keine Teilnahme an Kriegen.